Single Malt Whisky

Die Zukunft hat gerade erst begonnen

Single Malt Whisky ist sprichwörtlich in aller Munde. Die Welt sehnt sich nach Single Malt Scotch Whisky und Schottland eilt von einem Exportrekord zum nächsten. Die magische Zahl von einer Milliarde Flaschen wurde bereits überschritten und in den vergangenen 10 Jahren stieg der Export um 87%. Welche klassische Industrie kann sich schon so eines Erfolges rühmen?

Doch jährlich mehr Single Malt Whisky zu verkaufen ist nicht ganz so einfach. Schließlich will der Konsument ein hochwertiges Produkt in den Händen halten, das zusätzlich auch noch eine stolze und reife Altersangabe aufweist. Und hier liegt der Hase im Pfeffer. Eine Whiskyproduktion kann man nicht einfach so hochfahren wie eine Wodka- oder Gin-Brennerei. Laut Gesetz muss schottischer Whisky mindestens drei Jahre in Eichenfässern reifen.

Wer eine stolze Summe für einen Single Malt ausgeben will, bei der man bei einem Wodka die Super Premium Klasse weit hinter sich lässt, der erwartet schon ein stattliches Alter von 15 und mehr Jahren auf dem Etikett. Wenn aber nun die Lagerhäuser nach 10 Jahren Whiskyboom leer sind? Was macht man dann?

Bevor ich ihnen diese Frage beantworte, möchte ich kurz darüber mutmaßen, warum denn nicht mehr an länger gereiftem Malt Whisky in den Lagerhäusern schlummert? Die Antwort ist so einfach wie bestechend. Vertrieb und Produktion haben nicht ausreichend zusammengearbeitet. Wer da nun auf der Leitung stand, entzieht sich meiner Kenntnis. Hat sich die Produktion im fernen Schottland nicht laut genug in den Konzernzentralen auf der ganzen Welt bemerkbar gemacht? Oder haben die Manager des Vertriebs nicht verstanden, was wirklich auf den Etiketten der Flaschen steht? Die groß geschriebenen 18, 21, 25 und 30 Jahre sind ja nun nicht wirklich zu übersehen. Oder haben die Aktionäre an den Börsen zu viel Druck gemacht und wollten Dividenden auf dem Rücken einer vernachlässigten Produktion sehen? Das wäre ein kurzfristiger Ansatz.

Egal, wer am Ende nun Schuld war. Die Anzahl an verfügbaren Flaschen mit höherem Alter geht ständig zurück. Gleichzeitig steigen, wie in einem funktionierenden Markt üblich, die Preise. Und das solange, bis sich erneut ein Gleichgewicht bildet.

Der Fokus der schottischen Whiskyindustrie lag in der Vergangenheit und liegt auch heute noch ganz deutlich auf dem preiswerten Blended Scotch Whisky. Also einer Mischung aus einfachem Grain Whisky und Malt Whisky meist mit einem Alter von drei Jahren. Und hier hat man nach der Überwindung der Finanzkrise in den Jahren 2008/2009 auch tüchtig an Produktionskapazitäten zugelegt. So hat der weltgrößte Spirituosenkonzern Diageo bereits relativ früh die Brennerei Glenburgie um ein neues Brennhaus erweitert und im benachbarten Roseisle sogar eine ganz neue Brennerei mit 14 großen, kupfernen Pot Stills errichtet. Und das war noch nicht alles. In einem gigantischen Investitionsprogramm von mehr als 1 Mrd. Pfund wurden neben diesen Neubauten auch Teaninich, Clynelish, Mortlach und Glen Ord erweitert sowie noch eine neue Brennerei in Alness geplant. Zusätzliche Optimierungs- und Erhaltungsmaßnahmen finden in Linkwood, Mannochmore, Glendullan, Dailuaine, Benrinnes, Inchgower, Cragganmore und Glen Elgin statt. Doch fast alle diese Brennereien produzieren ausschließlich für die Blended Whiskys. Als Single Malts werden sie nur selten abgefüllt.

Auch die Nummer Zwei in der schottischen Whiskyproduktion, Pernod Ricard, hat seine Produktion in den Jahren seit der Finanzkrise hochgefahren. Mit der Übernahme von Allied Domecq im Jahr 2005 kamen die Whiskybrennereien aus der Chivas & Glenlivet Group zum Konzern hinzu. Damals war Chivas global nicht wirklich gefragt und einige der Brennereien wie Glen Keith und Allt-A-Bhainne wurden eingemottet oder sogar wie Glendronach oder Benriach ganz verkauft. In den letzten Jahren hat man die stillgelegten Brennereien wieder angefahren und das Flagschiff Glenlivet hat ein außergewöhnlich schönes, großes, neues Brennhaus bekommen. Doch bis auf Glenlivet gilt auch hier, dass die Brennereien vor allem für die Blended Whiskys arbeiten.

Eine Ausnahme in diesem Reigen macht das privat geführte Unternehmen Wm. Grant & Sons, das den Single Malt Whisky-Markführer Glenfiddich produziert. Hier hat man die Brennereien Glenfiddich und Balvenie schon vor Jahrzehnten mit dem Neubau der Kininvie-Brennerei entlastet und auch schon frühzeitig im Jahr 2007 die neue Malt Whisky Brennerei Ailsa Bay in den Lowlands errichtet. Kein Wunder, dass Glenfiddich immer noch kostengünstige 15 und 18 Jahre alte Single Malt Whiskys anbieten kann, wenn man so weit voraus denkt. Als bei anderen Herstellern die Lagerbestände langsam knapper wurden, konnte Glenfiddich seinen ehemals abgefüllten Pure Malt ohne Altersangabe auf volle 12 Jahre anheben. Was für eine weise, vorausschauende Planung. Daran könnten sich die angestellten Manager der börsennotierten Konzerne ruhig ein Beispiel für die Zukunft nehmen.

In der Zwischenzeit bleibt diesen Herstellern nur der einzig logische Weg übrig. Es gilt mehr und mehr Single Malt Whisky ohne Altersangabe abzufüllen. In Fachkreisen werden diese Flaschen mit NAS bezeichnet (No Age Statement). Ohne Nachschub an lang gereiftem Malt Whisky haben die heutigen Verantwortlichen den Stress, sich immer neue Dinge ausdenken zu müssen, wie man NAS-Whisky dennoch verkaufen kann. Zusätzliche marketingtechnisch aufwertende Eigenschaften sind gefragt. Nachreifungen, Fassstärken, weggelassene Kühlfilterungen und aufwändige Verpackungen sollen nun richten, was man vor mehr als 10 Jahren versäumt hat.

Neben diesen schlafenden Riesen im Markt hat es aber eine immer weiter wachsende Zahl an kleinen Brennereien verstanden, wie das Business funktioniert. Die erste Gruppe an neugebauten bzw. renovierten Brennereien ist mittlerweile gut im Markt mit lang gereiften Whiskys platziert: Arran, Benromach und Speyside sind Brennereien, die schon 12-Jährige und ältere in größerer Anzahl vertreiben.

Bei einer zweiten Gruppe an frisch errichteten Brennereien müssen wir noch etwas warten. So haben sich in aller Stille die Brennerei Daftmill in Fife (noch kein Whiskyverkauf) und mit etwas mehr Marketingsichtbarkeit die Brennereien Glengyle und Kilchoman auf den Weg gemacht, sich einen Teil vom Kuchen zu sichern. Ihr Erfolg hat zu einer ungewöhnlichen Gründungswelle von neuen Malt Whiskybrennereien in Schottland geführt. Kürzlich in Betrieb gegangene Brennereien wie Abhainn Dearg auf Lewis und Wolfburn an der Nordspitze des schottischen Mainlands zeigen, dass sich das Geld für diese Investitionen aufbringen lässt.

Für weitere Brennereien gibt es schon Baugenehmigungen bzw. sind die Bauarbeiten bereits fortgeschritten und wir dürften in naher Zukunft den Produktionsbeginn sehen. Die neue Distillery auf Harris hat die Bauerlaubnis erhalten. Die Ardnamurchan Brennerei in den westlichen Highlands hat die Gebäude fertiggestellt und an der historischen Annandale Brennerei in den Lowlands sieht man größere Baufortschritte. Kingsbarns nahe St. Andrews und Gartbreck auf Islay werden auch nicht mehr lange brauchen, bis der erste Whisky zu fließen beginnt.

Lassen wir uns überraschen, ob die großen Hersteller zuerst wieder altgereiften Single Malt Whisky für uns Genießer haben werden oder ob wir in den kommenden Jahren mehr und mehr auf die kleinen ausweichen werden. Doch auch hier führt der eingeschlagene Weg nicht unmittelbar zum Erfolg. Über einige neue Brennereien wurde viel geschrieben (Blackwood, Ladybank), doch wenige haben es letztendlich in eine stabile Produktion geschafft. Auch ist aller Anfang schwer und wir können nicht erwarten, dass der Single Malt Whisky 12 Jahre nach dem Start der Produktion in großen Mengen als 12-Jähriger verfügbar sein wird.

Und da muss man am Ende auch den Großen wieder Respekt zollen. Trotz allem Auf und Ab in den Wirtschaftszyklen kann man jahrein-jahraus immer auf einen Knockando, einen Glenlivet oder einen Glenfiddich zurückgreifen. Wenn die Nachfrage nur groß genug ist, kann uns die Whiskyindustrie mit einem konstanten Single Malt Whiskyfluss versorgen.

Bis alle Maßnahmen zur Erhöhung der verfügbaren Menge an lang gereiftem Malt Whisky greifen, werden wir uns mit stetig steigenden Preisen anfreunden müssen. Das ist allemal besser, als wenn man für Geld und gute Worte gar nichts mehr bekommt. Schließlich kommt es nicht auf die Menge sondern vielmehr auf die Güte unseres Lieblingsgetränks an.